«Langeweile»

Fotografisch-künstlerische Forschungsarbeit in den Staatlichen Museen zu Berlin (Hamburger Bahnhof, Museum für Gegenwart).

2017 | Berlin | 9 Fotografien (digital), Text «Wer, wenn nicht sie?» von Pirmin Bossart

Wer, wenn nicht sie?

Sie hätten etwas zu erzählen. Die Aufsichtspersonen, die in den Ausstellungsräumen herumstehen und den Wert der Kunst bewachen. Aufpassen, dass das Museum ein herkömmliches Museum bleibt. Beaufsichtigungspersonal. Überwachungspersonal. Präsenzpersonal. Aber auch Personal des langen Schattens, der zwischen den Kunstwerken und den Betrachtenden liegt. Man fühlt sich nie ganz ungestört. Ein Museum eben. Ist das zukunftsträchtig?

Die Ausstellungen erzählen Geschichten, konfrontieren, senden Emotionen. Wer wüsste das besser als die Aufsichtspersonen, die sich tagein tagaus in den Räumen aufhalten. Die stummen Männer und Frauen in Anzügen sind dabei, wenn die Werke eingerichtet werden. Sie bekommen mit, wie sich die Künstler verhalten, sich bewegen. Sie hören ihre Stimmen, verfolgen ihre Gesten, reimen sich Vorstellungen zusammen. Sie sehen, wie die Werke im Raum positioniert werden, und auch später, wenn sie inszeniert sind. Sie machen sich ihre Gedanken dabei. Haben Empfindungen. Sie nehmen auch wahr, wie die Besuchenden darauf reagieren. Vielleicht hören sie einen geflüsterten Kommentar. Ein Räuspern. Eine Bemerkung. Erhaschen einen bestimmten Blick. Spüren, wie gewisse Besucher verwandelt werden. Wie sich ihre Blicke verändern. Wo sie hängenbleiben. Staunen. Erschrecken. Beglückt sind. Wer kennt diese Geschichten, wenn nicht sie?

Die fotografisch-künstlerische Forschungsarbeit in den Staatlichen Museen zu Berlin (Hamburger Bahnhof, Museum für Gegenwart) bannt das stumme Potential und lässt reflektieren, was daraus zu folgern wäre. Sie nimmt das Aufsichtspersonal ernst und gibt ihm einen neuen Status: Alle Aufsichtspersonen sind ab sofort Kunstvermittler! Sie werden Mitwirkende im Kunsterlebnis. Langeweile verwandelt sich in Partizipation. Gleichzeitig wird das Museum zukunftstauglich. Es betrachtet die Besucher als Kunden. Für wen, wenn nicht für Kunden, wird der ganze Betrieb aufrechterhalten und sind die Werke ausgestellt?

Mit den Aufsichtspersonen als Kunstvermittler öffnen sich neue Bezüge. Ihr Fundus gründet auf einem langen Prozess des Teilhabens, wie ihn Besucher und Besucherinnen nie erfahren. Die Aufsichtspersonen haben Beobachtungen und Eindrücke gespeichert, die das Kunsterlebnis in diesen Räumen aus dem Innern erweitern. Im Museum der Zukunft stehen die Aufsichtspersonen nicht herum. Sie haben uns etwas zu sagen.

Die Fotografien und der Text zu dieser Arbeit sind als Katalog im Shop erhältlich.

«Langeweile» von Silas Kreienbühl

«Langeweile» von Silas Kreienbühl

«Langeweile» von Silas Kreienbühl

«Langeweile» von Silas Kreienbühl

«Langeweile» von Silas Kreienbühl

«Langeweile» von Silas Kreienbühl

«Langeweile» von Silas Kreienbühl

«Langeweile» von Silas Kreienbühl

«Langeweile» von Silas Kreienbühl